Theaterstück mit Zeitkritik
Lahrer Anzeiger, 02. November 2016
Mit der Premiere des Theaterstücks »AllmannsWeier 2066 – morgen ist das Heute gestern« wurde am Dienstag eines der bestgehüteten Geheimnisse des Jubiläumsjahrs gelüftet. Das Stück wusste zu gefallen, war mit dreieinhalb Stunden jedoch zu lang.
Verantwortliche und Beteiligte hatten während des Jahrs bezüglich des Theaterstücks zum Allmannsweierer Jubiläum – dem ersten dieser Art seit 30 Jahren – eine strikte Verschwiegenheitspolitik betrieben. Erst am Dienstagabend bei der Premiere wurden die letzten Geheimnisse von Regisseur Christopher Kern und seinem Laien-Ensemble gelüftet. Besucher nicht nur aus den vier Schwanauer Ortsteilen, sondern auch aus Friesenheim, Lahr und Offenburg waren in die zum Theatersaal glänzend umdekorierten Silberberghalle gekommen. Nach dreieinhalb Stunden Nettospielzeit ernteten die Beteiligten angesichts viel Aufwand und harter Proben verdientermaßen begeisterte Reaktionen.
Vorzüge der Produktion lagen bereits im rein äußerlichen Bereich. Neben der Hallenaufmachung, dem Einsatz historischer Bilder und Beleuchtung stachen sparsame, aber geschickt eingesetzte Bühnenbilder (unterstützt durch den Einsatz von auf Leinwand eingespielten Hintergrundfotos) hervor. Auch das bestens aufeinander abgestimmte Umbauteam sowie Darsteller, die mit Ausnahme einiger unerheblicher Wackler, durch ihre Textsicherheit glänzten, werteten das Gesamtwerk auf.
Inhaltlich breitete Regisseur Kern (s)eine zeitkritische Vision der möglichen Allmannsweierer Zukunft 2066 vor den Blicken des Publikums aus. Seine Botschaft fasste er so zusammen: »Unser Zeitempfinden ist immer relativ zu sehen. Wichtig wäre, wertzuschätzen, was man hat, zudem das Hier und Jetzt zu genießen.« Es sind vor allem die kleinen Details, die der Aufführung Charme verleihen. Dazu zählt Lokalkolorit, wenn Pia (Susanne Walter) anmerkt: »Wir haben schon daheim gegessen«, ein Umstand, der den »Bäschili« (Allmannsweierern) gerne nachgesagt wird. Oder der Opa (Helmut Schäfer) den technischen Übermenschen »P 7« naiv-vertraut fragt: »Bisch diü vun Odne?« Aber auch mit beißender Selbstironie wird gepunktet. Das träge Festkommittee zu 1050 Jahren Allmannsweier zieht selbst untereinander nicht an einem Strang, geißelt die Theaterproduktion fünf Jahrzehnte zuvor aber als »hanebüchenes Stück«. Es sind kleine, spitze Dolche, die nicht ohne Wirkung bleiben bei dem, der sich dem Inhalt zu öffnen versteht.
Kern bettet seine Zeitkritik behutsam, aber zielgerichtet ein. Seien es internationale Besuchergruppen, die, ausgestattet mit Bollenhut und Selfie-Stange, den durchschaubaren Eindruck von Interesse am dörflichen Leben heucheln. Sei es im Nebeneinander der weltweit präsenten »Firma« (unschwer orientiert an Schwanaus größtem Arbeitgeber) und dem ursprünglichen, aufs Miteinander ausgerichteten Dorfleben in all seinen Facetten. Das alles angesiedelt in einer von Technik völlig abhängigen Welt, in der sich Menschen lieber über die neueste Version ihrer »Earpeas« austauschen, als sich für den Mitmenschen zu interessieren.
»Seelenlose Siedlungen«
Zusammengefasst appelliert Kerns Produktion für dörfliche Vielfalt und Toleranz, entwirft das Bild eines Miteinanders, in dem es Spaß macht, gemeinsam feiernd die Jubiläumshymne zu singen. Eine klare Absage wird sklavischer Abhängigkeit erteilt, der Zerstörung von Natur zugunsten »seelenloser Hochbausiedlungen« und einem Dorf, »in dem wir uns untereinander überhaupt gar nicht kennen«.
Diskutieren ließ sich allerdings über die zeitliche Dauer des Werks. Dreieinhalb Stunden muteten für den einen oder anderen Geschmack dann doch etwas zu überdimensioniert an.
Autor: Thorsten Mühl
Info
Zahlen zum Theater
430 Besucher kamen zur Premiere in die Silberberghalle;
12 Monate Zeit nahmen Vorbereitung und Proben in Anspruch;
50 Menschen arbeiteten an der Produktion mit
–
18 Sprechrollen und
8 Statistenrollen wurden auf die Bühne gebracht;
11 Szenen in
2 Teilen mit einer Nettospielzeit von
205 Minuten umfasst das Werk, das
50 Jahre in der Zukunft spielte.