Vortrag »Kirche im Wandel der Zeit«

 

Zusammenfassung des Vortrags der  Veranstaltung „Kirche im Wandel der Zeit“ von Michael Kotsch, den er am 11. Juni in der Silberberhalle in Allmannsweier gehalten hat.

 

1000 Jahre Allmannsweier – ein historischer Überblick

Wahrscheinlich ist Allmannsweier eher 1400 als 1000 Jahre alt. In der ersten urkundlichen Erwähnung 1016 wurde der Ort Allmannsweier dem neu gegründeten Bistum Bamberg geschenkt. Im Kern sind die meisten Allmannsweierer Migranten. Vor 2000 Jahren wanderten die ersten Alemannen aus dem Gebiet zwischen Havel und Elbe an den Rhein. Ihre germanische Religion war durchsetzt von Gewalt und Aberglauben. Allmannsweier wurde benannt nach Ademar, dem Führer einer alemannischen Sippe.

Ihre erste Berührung mit dem christlichen Glauben hatten die Allmannsweierer durch römische Händler. Im 7. Jahrhundert zogen die iroschottischen Missionare Kolumban und Gallus predigend durch die Gegend. Auf den iroschottischen Mönch Offo gehen sowohl die Stadt Offenburg als auch das Kloster Offonzell, heute Schuttern, zurück. Um 750 predigte Pirmin in der Umgebung von Allmannsweier den Kampf gegen Sünde, Tod und Teufel. Fränkische Mönche organisierten die christliche Kirche der Region im 8. Jahrhundert unter Bonifazius. Unter dem Ansturm der Ungarn (938) versteckten sich viele Allmannsweierer jahrelang in Wäldern und Feldern.

Die erste, sehr einfache Kirche in Allmannsweier wurde vermutlich um 1200 herum errichtet. Damals verstanden sich alle Einwohner als Christen. Die zweite, vergrößerte Kirche wurde in der Reformationszeit gebaut und hatte erstmals einen Turm aus Eichenholz und ein mit roten Ziegeln gedecktes Dach. Die dritte, heute noch stehende Kirche konnte 1783 eingeweiht werden. Seit 1501 war Allmannsweier im Besitz der Stadt Straßburg. Im Laufe des 1600 Jahrhunderts nahmen die Bewohner die Reformation an und erhielten 1584 einen eigenen Pfarrer.

Im 30jährigen Krieg hatten die Bewohner unter der Einquartierung kaiserlicher, überwiegend spanischer Soldaten zu leiden. Häuser wurde geplündert, Gewalt angewandt und Frauen vergewaltigt. Unter Bernhard von Weimar errangen die evangelischen Heere schlussendlich den Sieg. Von den ursprünglich 430 Einwohnern von Allmannsweier überlebten nur 100 den 30jährigen Krieg.

Eine geistliche Erneuerung erlebte Allmannsweier unter dem Pietismus im 18.- und der badischen Erweckungsbewegung im 19 Jahrhundert. In Allmannsweier entstanden neben dem offiziellen Gottesdienst freie Bibelkreise des auf Henhöfer zurückgehenden Vereins für innere Mission Augsburgischen Bekenntnisses (AB-Verein). Badische Auswanderer hatten in Amerika den freien und an der Bibel orientierten Glauben der Methodisten kennengelernt. Als Missionare kamen sie zurück in ihre Heimat und gründeten in der Folge auch in Allmannsweier eine eigene Gemeinschaft (Evangelische Gemeinschaft). Unter anderem entstand das Diakonissenhaus in Nonnenweier, deren Mitarbeiterinnen einen wesentlichen Beitrag an der geistlichen Erneuerung innerhalb der evangelischen Kirche hatten. Es gab auch einen Einfluss der im 19 Jahrhundert sich in Deutschland ausbreitenden freikirchlichen Baptisten. Auch der freie Bibelkreis Allmannsweier sieht sich in der Tradition dieser geistlichen Erneuerungsbewegung.

 

Aloys Henhöfer (1789-1862), die badische Erweckung und ihr Einfluss auf Allmannsweier

In besonderer Weise verkörpert Henhöfer eine echte geistliche Ökumene, die sich nicht nur auf religiöse Gleichgültigkeit gründet, sondern den Kern christlichen Glaubens pflegt und lebt. Henhöfer wurde in einer katholischen Familie in Völkersbach bei Ettlingen geboren. Dem Wunsch seiner frommen Mutter entsprechend begann er mit 12 Jahren eine Ausbildung als katholischer Priester in Rastatt und Freiburg. Seine erste Anstellung fand er auf Schloss Steinegg bei Julius von Gemmingen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. 1818 wurde er als Pfarrer nach Mühlhausen berufen. In dieser Zeit lernte er den jungen Vikar Fink kennen der, beeinflusst von Professor Sailer mit intensivem Gebet und Bibellesen eine sehr persönliche Frömmigkeit pflegte.

Henhöfer erlebte eine geistliche Erweckung und begann an Kollegen und Gemeindeglieder Neue Testamente zu verschenken. Seine Predigten konzentrierten sich auf das Eingeständnis eigener Fehler und auf Gottes gnädige Vergebung der Schuld. Dabei war er nicht dogmatisch, sondern wirkte auf die Zuhörer authentisch und echt. Selbst Kritiker, die gekommen waren um sich über ihn lächerlich zu machen oder ihn bei den Behörden anzuschwärzen, wurden durch seine Andachten überzeugt.

Seine Kritik an veräußerlichten Ritualen und Traditionen führten 1822 zu seiner Exkommunikation aus der katholischen Kirche. Durch Vermittlung des Großherzogs fand er eine Tätigkeit als evangelischer Pfarrer in Graben. Nach anfänglicher Skepsis gegen den „katholischen“ Pfarrer breitete sich auch hier eine Erweckung aus. Ohne kirchliche Anleitung entstanden in fast allen Privathäusern freie Bibel- und Gebetskreise. Mit großherzoglichem Einverständnis konnten Freiherr von Gemmingen zusammen mit 200 Mühlhausener Bürgern zur evangelischen Kirche übertreten. 1827 wurde Henhöfer in die Gemeinden von Spöck und Staffort berufen. Trotz harter Angriffe aufklärerisch-rationalistischer Pfarrer breitete sich auch hier eine auf persönlicher Hingabe an Gott aufbauende Erweckung aus. 1830 -1834 kämpfte Henhöfer , teilweise erfolgreich, gegen einen neuen, rationalistisch umgedeuteten Katechismus, der der Gemeinde aufgezwungen werden sollte.

Nach anfänglichen Reibungen verlief seine 1828 geschlossene Ehe mit Luise Daler harmonisch und glücklich. Durch seine Bücher „Die biblische Lehre vom Heilsweg und von der Kirche“ und „Der Kampf des Unglaubens mit dem Aberglauben und Glauben“ erlange Henhöfer überregionale Bedeutung. Im Vorstand des „Verein für die äußere Mission“ organisierte Henhöfer seit 1840 Missionsfeste und die Unterstützung badischer Missionare im Ausland, die ihre Ausbildung vor allem in der Basler Mission absolviert hatten. 1848 war Henhöfer Mitbegründer des Vereins „für innere Mission Augsburgischen Bekenntnisses (AB-Verein), die ihre Veranstaltungen auch in Allmannsweier abhielten. Henhöfer gründete mehrere Waisen- und Rettungshäuser. Durch seine Initiative entstanden die Diakonissenhäuser in Karlsruhe und Nonnenweier. Durch seine Literatur, die Diakonissen aus Nonnenweier und den AB- Verein nahm Henhöfer direkten Einfluss auf die geistliche Erneuerung der evangelischen Kirche in Allmannsweier. Henhöfers persönliche Frömmigkeit, sein absolutes Vertrauen in die Bibel und seine konfessionsüberschreitende Liebe zu den Menschen fordern bis heute heraus.

 


Zum Seitenanfang

Zum Autor Michael Kotsch

Michael Kotsch

Michael Kotsch

Geboren 1965

Verheiratet mit Viviane Kotsch, 3 Kinder

Studium der Theologie an der STH Basel (1986-1991)

Studium der Theologie-, Religionswissenschaft und Ökologie (Mensch-Gesellschaft-Umwelt) an der Universität Basel (1991-1995)

Religionslehrer im Auftrag der Reformierten Kirche Basel-Stadt / Basel-Land (1990-1995)

Lehrer für Kirchengeschichte, Konfessions- und Sektenkunde, Religionswissenschaft und Apologetik an der Bibelschule Brake (seit1995)

Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft für biblische Ethik in der Medizin (ABEM) (seit 1999)

Mitarbeit im Vorstand des Bibelbundes (ab2000, seit2005 als Vorsitzender)

Vorlesungen zur Kirchengeschichte und Konfessionskunde an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH) (seit2004)